Eine Verwaltungsreform für Berlin

Die „Berliner Krankheit“

Seit langem fragen sich Einheimische und Zugezogene, warum ausgerechnet in Berlin die Verwaltung nicht funktioniert. Die Zustände in den öffentlichen Parks, die Bürgerämter, die Kfz-Zulassung, BER, Schulbau, Verkehrslenkung etc.: Überall, wo der Bürger der Berliner Verwaltung begegnet, merkt er, dass etwas nicht stimmt. Auch die Aufstellung von Bebauungsplänen sowie Baugenehmigungen als Voraussetzung für die Bekämpfung der Knappheit an bezahlbaren Wohnungen dauert unnötig lang.

Die Ursache liegt in der Verwaltungsstruktur: In Berlin verderben zu viele Köche den Brei. Zwölf Bezirke, die jeweils machen, was sie wollen und schlimmer noch: zwölf Bezirke, die oft nicht wissen, was sie wollen, denn die jeweilige Bezirksamtsmehrheit arbeitet gegen die Bezirksamtsminderheit, die Bezirksamtsminderheit arbeitet gegen die Bezirksverordnetenmehrheit, und alle zusammen arbeiten gegen den Senat. Dabei kann nicht viel Sinnvolles herauskommen. Bei vielen wichtigen Zukunftsaufgaben wie Wohnungsbau und Gewerbeansiedlungen blockieren sich Senat und Bezirke gegenseitig aufgrund unterschiedlicher politischer Auffassungen, viele Verwaltungsvorgänge dauern quälend lang.

Der Senat hat jüngst Vorschläge zur Verbesserung der Situation vorgelegt, die sich aber im wesentlichen in der Einführung sog. „Zielvereinbarungen“ sowie der Angleichung der Struktur der Geschäftsbereiche der Bezirksbürgermeister erschöpfen. Diese Maßnahmen deuten in die richtige Richtung, werden aber kaum messbare Erfolge zeitigen, da sie die ineffizienten Strukturen und Prozesse im wesentlichen unangetastet lassen. Die vorgesehene Einführung von berlinweit zwölf zusätzlichen Stadträten steigert nur die Überpolitisierung der Bezirke.

Politische Kernforderungen

Daher hat der Verein „Neue Wege für Berlin“ beschlossen, zum Thema Verwaltungsreform einen öffentlichen Meinungsbildungsprozess zu starten und den Parteien konkrete Vorschläge für die Wahlprogramme zur Abgeordnetenhauswahl 2021 zu machen.

Spürbare Verbesserungen für die Bürger sind nur zu erreichen, wenn die bestehenden Blockaden zwischen Senat und Bezirken aufgelöst, die Überpolitisierung der Verwaltung beendet sowie die bezirklichen Machtkartelle durch eine Wahlrechtsreform aufgebrochen werden. Die politischen Kernforderungen sind daher:

  • Wiedereinführung der Fachaufsicht des Senates über die Bezirke (verbunden mit entsprechenden Weisungsrechten) sowie Einführung eines Weisungsrechts der Bezirksbürgermeister gegenüber den Stadträten
  • Einführen eines Qualifikationskriteriums für Verwaltungsleiter (Staatssekretäre und Stadträte): Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst
  • Demokratisierung des Wahlrechts: Aufstellen der Abgeordnetenhaus-Direktkandidaten ausschließlich im Wahlkreis sowie Streichen der Möglichkeit von Bezirkslisten

Änderung der Verfassung von Berlin (Option 1)

Viele Unklarheiten über die Verwaltungsstruktur Berlins und insbesondere das Verhältnis zwischen Hauptverwaltung und Bezirksverwaltungen sind bereits in der Verfassung von Berlin (VvB) angelegt. Zwar ist eine Verwaltungsreform auch durch einfachgesetzliche Änderungen möglich (Option 2), die Änderung der VvB wäre jedoch der elegantere Weg. Aber es ist auch der deutlich schwierigere Weg, da Änderungen an der VvB einer qualifizierten Mehrheit von 2/3 der Abgeordneten bedürfen. Eine solche Mehrheit deutet sich nach heutigem Stand nicht an, ist aber auch nicht vollständig auszuschließen. Der Vorschlag für die Neufassung der für die Verwaltung zentralen Artikel 66 und 67 lautet wie folgt:

Neufassung Artikel 66 der Verfassung von Berlin (Artikel 67 entfällt dann)

(1) Berlin ist eine Einheitsgemeinde mit zwölf Bezirken als nachgeordnete Verwaltungseinheiten.

(2) Die Verwaltung ist bürgernah im demokratischen und sozialen Geist nach der Verfassung und den Gesetzen zu führen.

(3) Der Senat nimmt durch die Hauptverwaltung alle Aufgaben von gesamtstädtischer Bedeutung wahr. Dazu gehören insbesondere:

1. die Leitungsaufgaben (Planung, Grundsatzangelegenheiten, Steuerung, Aufsicht),
2. die Polizei-, Justiz- und Steuerverwaltung.

(4) Die Bezirke erfüllen ihre Aufgaben unter Rechts- und Fachaufsicht des Senats. Sie nehmen regelmäßig die örtlichen Verwaltungsaufgaben wahr. Im einzelnen werden die Aufgaben der Bezirke durch Gesetz bestimmt. Der Senat kann darüber hinaus Grundsätze und allgemeine Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeit der Bezirke erlassen. Er übt auch die Aufsicht darüber aus, dass diese eingehalten werden und die Rechtmäßigkeit der Verwaltung gewahrt bleibt.

(5) Zur Ausübung der Schulaufsicht können Beamte in den Bezirksverwaltungen herangezogen werden.

(6) Einzelne Aufgaben der Bezirke können durch einen Bezirk oder mehrere Bezirke wahrgenommen werden. Im Einvernehmen mit den Bezirken legt der Senat die örtliche Zuständigkeit durch Rechtsverordnung fest.

Einfachgesetzliche Änderungen (Option 2)

Kommt eine verfassungsändernde Mehrheit für die Verwaltungsreform nicht zusammen, müssen die erforderlichen Änderungen, insbesondere die o. g. politischen Kernforderungen, in einfachen Gesetzen vorgenommen werden. Insbesondere handelt es sich hierbei um das AZG (Allgemeines Zuständigkeitsgesetz) sowie das Wahlgesetz.

Neue Führungskultur in der Verwaltung erforderlich

Neben diesen gesetzlichen Änderungen ist das Ziel einer gleichermaßen effizienten wie bürgernahen Verwaltung nur zu erreichen, wenn durch eine Vielzahl von Initiativen aller Führungskräfte, angefangen beim Regierenden Bürgermeister und den Senatoren, eine neue Führungskultur in der Berliner Verwaltung etabliert wird, die gleichermaßen durch Wertschätzung aller Verwaltungsmitarbeitenden wie durch das Leistungsprinzip gekennzeichnet ist. Derzeit mangelt es an beidem. Dringend benötigte Fachleute (z. B. Bauingenieure) können angesichts dieses Verwaltungszustands nicht für eine Mitarbeit gewonnen werden.

Der Verein „Neue Wege für Berlin“ e.V. hat sich zum Ziel gesetzt, diese Vorschläge bis zur Abgeordnetenhauswahl mit allen Parteien und interessierten Bürgern zu diskutieren sowie ggf. zu optimieren und zu ergänzen. Hierfür steht allen Interessenten die Arbeitsgruppe Verwaltungsreform des Vereins gern zur Verfügung:

Horst-Achim Kern      Hasso Lieber              Dr. Christoph Lehmann         Dr. Michael Garmer

Schreiben Sie an info@neue-wege-fuer-berlin.de