Fragen und Antworten zum Thema Enteignungen

1. Wie haben sich die Mieten in Berlin bei bestehenden Mietverhältnissen von 2011 bis 2019 entwickelt?

Die durchschnittliche ortsübliche Vergleichsmiete ist ausweislich des Mietenspiegels zwischen 2011 bis 2019 von EUR 5,21/qm auf EUR 6,72/qm gestiegen. Das entspricht einer Steigerung von insgesamt fast 29 % bzw. einer jährlichen Steigerung von ca. 3,5 % und liegt damit über der Inflationsrate. Allerdings stieg in der gleichen Periode in Berlin das durchschnittliche Arbeitnehmergehalt auch um über 30 %.

Die Bestandsmieten in Berlin bleiben trotz dieser Steigerungen hinter den Bestandsmieten anderer Ballungsräume zurück. Sofern man einen alten Bestandsmietvertrag hat, sind die Mieten in Berlin daher für viele immer noch günstig – vor allem verglichen mit den Mieten in anderen Teilen Deutschlands.

Es gilt aber auch, dass viele Berliner weniger verdienen als die Menschen in anderen deutschen Ballungsgebieten. Während ausweislich des Statistischen Bundesamtes im Bundesschnitt der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Haushaltseinkommen für die meisten Menschen in Deutschland zwischen 2009 und 2019 z. T. deutlich gesunken ist, dürfte dies in Berlin mit einem großen armutsgefährdeten Bevölkerungsanteil (jene mit weniger als 60 % des Medianeinkommens) für viele Mieter gerade nicht der Fall sein.

2. Wie haben sich im Vergleich zu den Bestandsmieten die Mieten bei Neuvermietungen von 2014 bis 2019 entwickelt?

Hier sind nur die öffentlichen Angebotsmieten bei Neuvermietungen bekannt, z. B. aus den einschlägigen Portalen. Diese sind deutlich stärker gestiegen als die Bestandsmieten und zwar seit 2014 um über 70 %. Sie lagen 2019 im Durchschnitt bei EUR 10,14/qm und damit weit höher als die durchschnittliche Bestandsmiete von EUR 6,72/qm.

Auch wenn die Angebotsmieten 2019 gegenüber 2018 geringfügig gefallen sind, bleibt der grundsätzliche Befund:

Das wirklich große Problem liegt in den Mieten bei Neuvermietungen. Dies kann jeder bestätigen, der eine neue Wohnung sucht und die dort aufgerufenen Mieten mit jenen vergleicht, die Altmieter im gleichen Objekt zahlen.

[Das Einfrieren von Mietpreisen] hat drei Nachteile: Zum einen bringt es Menschen dazu, in ungeeigneten Behausungen wohnen zu bleiben, was zu Unterbelegung führt. Wohnungssuchende haben es zum anderen umso schwerer, eine Unterkunft zu finden, auch wenn das Einfrieren für bestehende Mieter:innen Vorteile bringt

Christine Whitehead (London School of Economics)

3. Wieso ist der Mietenanstieg in Berlin so massiv?

Berlin in der Dämmerung

In Berlin gibt es – wie dargestellt – bei den bestehenden Mietverhältnissen zwar einen deutlichen, aber keinen massiven Anstieg der Mieten über die Einkommensentwicklung hinaus – insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass das durchschnittliche Mietenniveau in Berlin besonders niedrig war und trotz der Steigerungen verglichen mit anderen Regionen weiterhin niedriger ist. Dies gilt aber nur für die Bestandsmieten.

Wirklich hohe Mietsteigerungen – weit jenseits der Inflationsrate und der Einkommensentwicklung – gibt es dagegen bei Neuvermietungen. Hier wird deutlich, dass Wohnungen in der Stadt fehlen – also deutlich mehr Menschen eine neue Wohnung suchen als die Stadt anbieten kann.

Dies zeigt auch die Leerstandsquote: 2012 lag diese bei 2,6 %, in den letzten Jahren wurde sie auf nur noch 0,8 % geschätzt. Damit ist sie deutlich zu gering. Üblicherweise gilt eine Leerstandsquote von 2 bis 3 % als erforderliches Gleichgewicht, um für Um- und Zuzug ein ausreichendes Angebot zu haben. Vor 2012 war die Leerstandsquote sogar noch höher, so dass einzelne Vermieter bei Abschluss eines Mietvertrages anboten, die Umzugskosten zu übernehmen oder mietfreie Zeiten gewährten.

Der heute bestehende Mangel hingegen lässt die Mieten bei Neuvermietungen steigen – mit leider allen Auswüchsen einer Mangelsituation. Diese wird – wie immer bei Mangelsituationen – von einzelnen Vermietern und Mietern unfair ausgenutzt, wenn z.Bsp. nicht gerechtfertigte Abstandszahlungen oder überhöhte Untermieten verlangt werden.

Betroffen sind vorrangig Menschen, die eine neue Wohnung suchen, die z. B. neu in die Stadt kommen oder eine andere Wohnung brauchen, weil sich ihre Familiensituation geändert hat.

4. Warum hat sich in den letzten zehn Jahren die Lage so geändert und ist die Nachfrage nach Mietwohnungen so gestiegen?

Bis 2013 wurde in Berlin sehr wenig gebaut, da es lange Zeit ein Wohnungsüberangebot gegeben hatte und die Bevölkerungszahlen in Berlin bis 2005 stagnierten. Berlin galt als „arm aber sexy“.

Beginnend ab 2005 änderte sich die Lage. Es setzte ein starkes Bevölkerungswachstum ein. Allein in den letzten zehn Jahren zogen ca. 330 000 Menschen nach Berlin, eine Zahl, die der Einwohnerzahl Bonns entspricht.

Das grundsätzlich positive Wachstum der Stadt wurde von vielen in Politik und Teilen der Wirtschaft aber lange ignoriert, und es wurde dann zu spät und teilweise auch falsch darauf reagiert.

Das Wachstum hält an. Allerdings hat sich die Bevölkerungszahl in den letzten beiden Jahren nicht mehr allein in Berlin sondern vor allem auch im „Speckgürtel“ um Berlin herum gesteigert. Auch die Ansiedlungen in Schönefeld/Grünheide zeigen, dass inzwischen nicht nur die Stadt Berlin, sondern die gesamte Metropolregion Berlin stark wächst. Seit Jahren ziehen immer mehr Berliner ins Umland. Dies hat mit der Wohnungsnot in Berlin zu tun, aber auch mit den individuellen Wünschen der Menschen. Es wird damit zudem eine Entwicklung nachvollzogen, die in anderen Ballungsgebieten schon vor Jahrzehnten erfolgte. Die Berlin umschließenden Landkreise sind seit Jahren daher die mit am stärksten wachsenden Kreise in Deutschland. Hier gibt es noch die bezahlbaren Mieten, die es in Berlin – zumindest bei Neuvermietungen – nicht mehr gibt.

Aber Berlin verliert dadurch Steuerkraft, zugleich verschärft diese Verlagerung die Infrastrukturprobleme, insbesondere die Verkehrsprobleme, weil die staatlichen Planungen nicht „hinterherkommen“.

Mit dem Bau der Gigafactory in Schönheide wird es möglicherweise aber auch einen gegenläufigen Trend geben, da die bei Tesla arbeitenden und gutverdienenden Ingenieure dann auch Wohnungen auf dem Berliner Markt suchen werden.

5. Berlin war/ist doch die Stadt der Sozialwohnungen? Warum entlasten sie den heißgelaufenen Markt so wenig?

Berlin hat im Jahre 2003 auf dem Höhepunkt der Berliner Finanzkrise die Anschlussförderung für Sozialwohnungen gestoppt. Seither fallen Jahr für Jahr Tausende Sozialwohnungen aus der Förderung und der damit verbundenen Mietenbegrenzung. Es werden zwar auch wieder neue gebaut, ca. 3000 bis 4000 pro Jahr. Der Berliner Senat hat sich sogar höhere Ziele gesetzt, diese werden aber regelmäßig verfehlt. Die Bauleistung Berlins bei Sozialwohnungen liegt daher trotz der zur Verfügung stehenden Bundesmitteln noch immer 50 % unter der Hamburgs.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die wegfallenden Sozialwohnungen mit entsprechender Mietenbegrenzung nicht durch neu errichtete Wohnungen ausgeglichen werden und die Gesamtzahl der Sozialwohnungen trotz steigenden Bedarfs gegenwärtig immer noch schrumpft.

6. Wie viele Wohnungen fehlen heute in Berlin? Wie viele werden in Zukunft in Berlin fehlen?

Berlin im Sonnenuntergang

Die geringe Leerstandsquote von nur 0,8 %, einschlägige Marktstudien aber auch die Erfahrungen vieler Wohnungssuchender zeigen, dass heute schon eine erhebliche Lücke im Wohnungsbestand besteht. Allgemein wird diese auf rund 100 000 Wohnungen berechnet.

Die weiteren Bevölkerungsprognosen für Berlin gehen zudem davon aus, dass die Corona-Jahre nur eine zeitweise Beruhigung waren und danach das Bevölkerungswachstum bis mindestens 2030 weiter gehen wird.

Auf der Grundlage einer entsprechenden Bevölkerungswachstumsprognose plant der Berliner Senat im SteP Wohnen (Stadtentwicklungsplan Wohnen) mit 194 000 Neubauwohnungen bis 2030. Diese decken aber nur das bis 2030 erwartete Wachstum ab – nicht adressiert und in Angriff genommen wird hingegen die heute schon bestehende Bestandslücke von 100 000 Wohnungen.

Dies bedeutet, dass schon heute über die im SteP Wohnen angenommenen 194 000 neuen Wohnungen – deren Entwicklung sich zudem teilweise massiv verzögert – weitere 100 000 zusätzliche Wohnungen dringend und schnell gebaut werden müssen, um den heute und in naher Zukunft Wohnungssuchenden ein Angebot machen zu können.

7. Wieviel Wohnungen wurden seit 2015 neu gebaut? Wieso entspannt sich dadurch die Lage im Wohnungsmarkt nicht?

Die Neubautätigkeit hat seit 2015 spürbar angezogen. Seither werden zwischen 15 000 bis 20 000 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt – leider mit in den letzten Jahren wieder abnehmender Tendenz.

Der überwiegende Teil der Wohnungen sind allerdings Wohnungen jenseits der Grenze von EUR 10/qm. In 2018 und 2019 galt dies für rd. 91 % der fertiggestellten Wohnungen.

Derart teure Wohnungen sind keineswegs alles Luxuswohnungen. Vielmehr ist Bauen sehr teuer geworden, und es fehlen in Berlin staatliche Förderprogramme, die den Bau preiswerterer Wohnungen ermöglichen. So gehören die Grundstückskosten in Berlin mit durchschnittlich EUR 670/qm mittlerweile zu den höchsten in Deutschland. Auch die Bauwirtschaft arbeitet, nicht zuletzt aufgrund fehlender Planungssicherheit, in Berlin an ihrer Kapazitätsgrenze. Höhere Preise sind die Folge – im Berlin sind die Preise im Wohnungsneubau seit 2015 bis 2020 um über 22 % gestiegen – bei der Instandsetzung sogar um über 27 %.

Dazu kommen vermehrte Auflagen für energetisches Bauen, Brandschutz oder behindertengerechte Zugänge, die das Bauen weiter verteuern. Es gibt nach Untersuchungen zudem Anhaltspunkte dafür, dass – u. a. verglichen mit Hamburg – besonders hohe bauplanungsrechtliche Vorgaben der Berliner Behörden zu diesen Kostensteigerungen besonders beitragen.

Normale – keine ungewöhnliche – Renditeerwartung unterstellt sind daher Neubauten mit Mieten unter EUR 12/qm kaum noch zu realisieren.

Zwar stehen auch entsprechend teure Neubauwohnungen nicht leer. Dies entlastet den Markt aber eben nur teilweise, denn für Durchschnittsverdiener sind Wohnungen mit Mieten über EUR 10/qm kaum oder nicht bezahlbar.

Darum muss man festhalten: Es fehlen nicht einfach nur 100 000 Wohnungen in Berlin, sondern es fehlen in Berlin 100 000 bezahlbare Wohnungen.

8. Wie viele Wohnungen werden jährlich zum Neubau genehmigt? Und wie viele werden davon auch gebaut? Was bedeutet das für die nahe Zukunft?

Seit 2015 werden wieder im Durchschnitt über 20.000 Wohnungen jedes Jahr genehmigt – allerdings mit seit 2017 leider wieder deutlich abnehmender Tendenz (2016: über 25 000 Wohnungen, 2020: unter 20 000).

Nicht alle genehmigten Wohnungen werden auch gebaut. Auch gibt es oft lange Verzögerungen zwischen Genehmigung und Fertigstellung. Damit reichen diese Genehmigungszahlen absehbar nicht aus, den Wohnungsmangel in der Zukunft zu beseitigen.

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Das fängt damit an, dass viele Bauvorhaben sich mit juristischen Einwendungen aus der Nachbarschaft auseinandersetzen müssen – manche mit guten Gründen, viel zu häufig aber auch getrieben von einer Haltung, dass überall gebaut werden soll – „but not in my backyard“.

Oder sie müssen langwierige Genehmigungsprozesse durchlaufen (z. B. aus Gründen des Denkmalschutzes oder des Naturschutzes).

Für größere Bauprojekte sind zudem häufig städtebauliche Kooperationsvereinbarungen erforderlich und sinnvoll, um seitens der Stadt auf das Mietniveau und soziale Einrichtungen Einfluss ausüben zu können. Zugleich erweisen sich die Verhandlungen hierzu aber auch als ein wesentlicher Grund für Bauverzögerungen – nicht zuletzt wegen wechselnder, unklarer oder überzogener Forderungen seitens der Behörden.

Finanzierungsschwierigkeiten können hinzukommen. In Berlin ist zudem der Anteil von Projektgesellschaften, die Wohnungen für noch zu findende Erwerber bauen wollen, sehr hoch. Dies kann zu Verzögerungen führen, solange die möglichen Erwerber nicht feststehen.

Andererseits bauen im Vergleich zu anderen Städten in Berlin sehr wenige private Vermietungsunternehmen neue Wohnungen, um sie dann zu vermieten. Hier könnte das Land Berlin durch Vereinbarungen mit größeren Wohnungsunternehmen Anreize schaffen, damit diese selbst mehr Wohnungen bauen.

9. Wie lange dauert es nach Erwerb eines Grundstücks, eine Wohnbebauung zu planen, die Genehmigung zu erhalten und eine Wohnung fertigzustellen? Wieso dauert das in Berlin so lange?

Wenn ein Bebauungsplan vorliegt, dauert es mindestens drei Jahre, häufig aber sehr viel länger, insbesondere wenn noch – wie bei vielen großen Vorhaben – ein Bebauungsplan erstellt werden muss. Leider sinkt dabei die Zahl der vom Land Berlin und den Bezirken verabschiedeten Bebauungspläne: Sie war 2019 nur halb so groß wie 2016. Dies lässt weitere Verzögerungen für die Zukunft erwarten.

Die Gründe für die vielen Verzögerungen sind vielfältig. Neben politischen Gründen spielt auch eine Rolle, dass die bezirklichen Bauämter unterbesetzt sind. Eine digitale Bauakte, auf der alle Genehmigungsbehörden gleichzeitig Zugriff haben, gibt es nicht.

Ein besonderes Berliner Problem – gerade auch im Vergleich zu Hamburg – ist dabei der Kompetenzwirrwarr zwischen Bezirks- und Landesebene sowie den einzelnen Behörden (Denkmalschutz, Naturschutz etc.). Dieser kann gerade bei großen Projekten zu erheblichen Verzögerungen führen. Muss dann ein Neubaugebiet auch noch verkehrlich erschlossen werden, kommen erhebliche mehrjährige Verzögerungen in der Senatsverkehrsverwaltung hinzu.

All dies gibt ohne grundsätzliche Änderungen bei der Förderung von Neubauten und in der Verwaltungsorganisation nur wenig Hoffnung auf eine schnelle Verbesserung der Lage.

10. Wie können Wohnungssuchende in dieser Lage dennoch geschützt werden bis diese Änderungen umgesetzt sind?

Entscheidend ist, dass es schnell mehr bezahlbaren Wohnraum in Berlin gibt.

Mit einer Änderung der Baugenehmigungs- und Bauabläufe sowie attraktiven Förder- und intelligenten Lenkungsmaßnahmen wären bereits in zwei bis drei Jahren erste Erfolge möglich. Hätte man mit entsprechenden Maßnahmen zu Beginn der Mietendeckeldiskussion begonnen, wäre man heute deutlich weiter.

Bis es jedoch gelingt, das bisher Versäumte nachzuholen und ein besseres Wohnangebot sicherzustellen, dürfen Mieter und Wohnungssuchende nicht schutzlos bleiben:

Wucher und rechtswidrige Mieterhöhungen sind nach geltendem Recht verboten. Wer sich nicht an geltendes Recht hält, muss zeitnah belangt werden.

Die Mietpreisbremse ist ein – im Grundsatz – wirksames und preisdämpfendes Instrument. Sie wurde 2019 nachgeschärft und um weitere fünf Jahre verlängert, um Zeit für den dringend notwendigen Neubau zu schaffen. Insbesondere bestehen jetzt auch Möglichkeiten der Kontrolle und neue Auskunftspflichten für Vermieter mit erheblichen Sanktionsmöglichkeiten.

Personen in wirklichen und dringenden Notlagen muss der Staat schließlich direkt und unmittelbar unter Berücksichtigung des Einzelfalles unterstützen (Subjektförderung).

Allerdings müssen all diese Instrumente, um wirklich zu wirken, von den Behörden auch genutzt und Verstöße – seien sie durch Vermieter oder Untervermieter  – gegen das Wucherverbot oder die Mietpreisbremse konsequent und schnell sanktioniert werden. Hier gab es in der Vergangenheit erhebliche Defizite. Es bietet sich jetzt an, hierfür die für die Überwachung des rechtswidrigen Mietendeckels vorgesehenen Mitarbeitenden einzusetzen.

11. Wie hat der für verfassungswidrig erklärte Mietendeckel gewirkt?

Der Mietendeckel hat die bereits schlechte Lage für Wohnungssuchende in Berlin in sehr kurzer Zeit gravierend weiter verschlechtert – ohne auch nur die Aussicht auf eine Verbesserung durch neue Wohnungen zu bieten.

Mit Beginn des Mietendeckels ging das Angebot an Mietwohnungen in Berlin um 40 % zurück. Mit der weiteren Folge, dass die Anzahl der Interessenten pro freie Wohnung um 70 % stieg – und es praktisch unmöglich wurde, ohne persönliche Beziehungen in Berlin eine Wohnung zu finden.

Untersuchungen zeigen zudem, dass vom Mietendeckel zumeist Haushalte mit überdurchschnittlichem Einkommen profitierten. Wohingegen die Neubaumieten, die vom Deckel ausgenommen waren, überdurchschnittlich stark stiegen – auch im Vergleich zur Entwicklung der Neubaumieten in Hamburg.

12. In welchem Umfang führt die beschriebene Entwicklung in Berlin zu Verdrängungseffekten (Gentrifizierung)? Lassen sich in Berlin die Entwicklungen noch aufhalten oder wird sich Berlin ähnlich wie Paris oder London entwickeln?

Man kann es nicht leugnen: In Berlin gibt es einzelne Kieze, in denen man eine Gentrifizierung feststellen kann und muss. Die soziale Mischung ist gekippt, kleine Gewerbetreibende und Handwerker werden von Coffeeshops und Filialketten verdrängt.

Aber noch ist dies kein flächendeckender Prozess. Darum ist Berlin weder London noch Paris. Und so soll es bleiben! Wir wollen eine lebendige Stadt mit Kiezen für alle Bevölkerungsschichten. Hierauf muss aber frühzeitig geachtet werden. Es gibt genügend erprobte Instrumente, die soziale Mischung zu erhalten. Dabei ist es ein sinnvoller und wichtiger Baustein, die städtischen Wohnungsunternehmen gerade in innenstädtischen Lagen stärker in die Verantwortung zu nehmen. Hier kann auch von anderen Städten gelernt werden.

13. Die Zahlen zeigen es: In Berlin müssen schnell mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Wo könnten diese in Berlin entstehen?

Es gibt die 16 im StEP Wohnen (Stadtentwicklungsplan Wohnen) ausgewiesenen Entwicklungsgebiete für rund 200 000 Wohnungen – die allerdings nicht ausreichendenn es fehlen dann immer noch 100 000 WohnungenZudem verzögert sich die Entwicklung dieser neuen Quartiere fast überall sehr deutlich.

Es gibt darüber hinaus das Tempelhofer Feld, die Elisabethaue und die Potentiale im Pankower Norden. Bis etwa 2010, als die Politik noch nicht realisiert hatte, dass Berlin mittlerweile nicht mehr schrumpfte, wurden zudem Flächen im FNP (Flächennutzungsplan) anderen Verwertungen als dem Wohnungsbau zugeschlagen. In all diesen Fällen muss daran gedacht werden, die Planungen den nunmehr geänderten Gegebenheiten und Notwendigkeiten anzupassen – und nicht auf dem einmal Beschlossenen trotz geänderter Umstände zu verharren 

Berlin ist eine der flächenmäßig größten Städte der Welt. Allein Pankow ist mit rund 103 qkm (bei gut 410 000 Einwohnern) so groß wie die Stadt Paris, die 105 qkm mit mehr als zwei Millionen Einwohnern umfasst 

Das Land Berlin hat also unglaublich große Flächenreserven. Diese dürfen nur nicht tabuisiert werden. Es gibt für alle Platz in Berlin. 

14. Welche Maßnahmen könnte das Land Berlin treffen, damit bebaubare Baufläche tatsächlich auch bebaut werden und nicht aus Spekulationsgründen brach bleiben?

Schon heute ist es nach dem Baugesetzbuch möglich, dass das Land Berlin einen Eigentümer durch Bescheid verpflichtet, innerhalb angemessener Fristen sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans zu bebauen. Kein Grundstück im Bereich eines Bebauungsplans muss daher schon heute aus Spekulationsgründen lange brach liegen. Aber auch hier müssen die Behörden aktiv werden. 

15. Wie kann das Land Berlin bei privaten Bauvorhaben sicherstellen, dass zumindest ein Teil der Wohnungen mit bezahlbaren Mieten errichtet werden?

Bei größere Bauprojekte sind häufig Städtebaulichen Kooperationsvereinbarungen erforderlich. Diese können seitens der Stadt genutzt werden, um auf das Mietniveau einiger Wohnungen und die Errichtung sozialer Einrichtungen Einfluss auszuüben. Allerdings sind dabei die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen – und ist das Vorhaben nicht durch übermäßige Anforderungen zu verhindern. 

16. Wie kann das Land Berlin mehr Baufläche für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen und zugleich sicherstellen, dass dort auch tatsächlich bezahlbare Wohnungen mit Nettokaltmieten bis EUR 10 angeboten werden?

Das Land Berlin könnte Wohnungsbauunternehmen Grundstücke zu vergünstigten Bedingungen zur Verfügung stellen – verbunden mit klaren Bedingungen zur Miethöhe der neue zu errichtenden Wohnungen. Dies sind keine neuen Instrumente – sie müssen in Berlin nur wieder genutzt werden. 

Hierfür würde sich insbesondere die Erbpacht anbieten: Bei der Erbpacht bliebe das Land Berlin Eigentümer der Grundstücke und gäbe dem Investor lediglich für bis zu 99 Jahre die Möglichkeit, dort Wohngebäude zu bauen und zu den vereinbarten Bedingungen vermieten.  

Da der Investor das Grundstück nicht kaufen müsste, könnte er dort auch Wohnungen unterhalb der Schwelle einer Miete von EUR 10/qm errichten. Zugleich wären durch die Regelungen zur Miethöhe auch seine zukünftigen Renditeerwartungen gedeckelt.  

Entsprechendes kann auch bei einem Verkauf von Flächen zu besonders niedrigen Preisen vereinbart werden. 

17. Wie könnte über die oben genannten Maßnahmen hinaus die Umsetzung eines umfassenden Bauprogramms mit Sozialwohnungen und bezahlbare Wohnungen für mittlere Einkommen finanziert werden?

Für den Bau von Sozialwohnungen stellt der Bund Mittel zur Verfügung – das Land Berlin müsste allerdings für deren Errichtung sorgen um die Mittel abrufen zu können. Hier muss die Verwaltungsorganisation geändert werden, damit zumindest die Hamburger Bauleistungen – die gegenwärtig 50% über den Berliner Bauleistungen liegen – erreicht werden. 

Darüberhinausgehende bezahlbare Wohnungen – insbesondere also jene 100.000, die bisher vom Land Berlin nicht berücksichtigt wurden – könnten mit einer Neuauflage des sogenannten „zweiten Förderweges“ finanziert werden, um Mieten unter EUR 10/qm zu ermöglichen. Beim „zweiten Förderweg“ werden den Bauherren aus dem Haushalt des Landes Berlin Gelder zur Verfügung gestellt, verbunden mit klaren Auflagen zur Belegung der Wohnungen und der Miethöhe. Die Errichtung der Wohnungen wird also subventioniert um Mieten unter EUR 10/qm zu ermöglichen – zugleich werden die Renditen der Bauherren von Anfang an gedeckelt. 

Dies sind keine neuen Instrumente – sie könnten vielmehr kurzfristig umgesetzt werden. 

18. Wie lange würde es realistischerweise dauern bis zur Fertigstellung der ersten Wohnungen, wenn die entsprechenden Genehmigungsprozesse beschleunigt würden?

Wenn es gelänge, ein schnelles Baurecht zu schaffen und die Abläufe insbesondere bei den Behörden deutlich zu beschleunigenkönnten – je nach Art des Baus – Wohnbauten auch in bis zu 18 Monaten errichtet werden. 

19. Vergesellschaftung von Wohnungen

Die Initiative „Enteignet Deutsche Wohnen“ will Wohnungsbestände mit mehr als 3000 Wohnungen nach Art 15 GG „vergesellschaften“. Dies bedeutet, dass den bisherigen direkten oder indirekten Eigentümern das Eigentum an diesen Wohnungen gegen Entschädigung entzogen werden soll, um sie öffentlicher Kontrolle ohne Gewinnerzielungsabsicht und zur Abwendung „überhöhter“ Mieten zu unterstellen. Dies ist seit Inkrafttreten des Grundgesetzes vor mehr als siebzig Jahren noch nie geschehen.  

20. Wie hoch sind die durchschnittlichen Bestandsmieten in den dem Land Berlin direkt oder indirekt gehörenden Wohnungen im Vergleich zu den Bestandsmieten bei den privaten Wohnungsbaugesellschaften, die nunmehr Gegenstand der Vergesellschaftung sein sollen?

Bei den öffentlichen Unternehmen beträgt die Miete im Durchschnitt 6,40€, bei den privaten € 6,70 – die Differenz beträgt also weniger als 5%  

21. Wieviel Wohnungen wären von der Vergesellschaftung betroffen – wie viel Wohnungen blieben unberührt? Was würde die Vergesellschaftung für Wohnungssuchende und Bestandsmieter bedeuten?

Wenn alle Unternehmen mit aktuell mehr als 3.000 Bestandswohnungen vergesellschaftet würden, wären ca. 210.000 Wohnungen betroffen. Das ist lediglich etwas mehr als 10% des Bestandes an Mietwohnungen.  

Bei 90% der Wohnungen würde sich daher unmittelbar zunächst nichts ändern. Allerdings wären auch die Mieter dieser Wohnungen, vor allem aber Wohnungssuchende, schon bald von den von den negativen Folgen der Vergesellschaftung betroffen: 

Die Lage für Wohnungssuchende würde sich nach einer Vergesellschaftung weiter verschärfen, da durch diese Maßnahme keine neuen Wohnungen geschaffen würden. Zugleich würde aber auch niemand mehr – ungeachtet aller Unterstützung – in den Neubau von Wohnungen investieren, da er ja befürchten müsste, später enteignet zu werden. 

Auch die Bestandsmieter wären betroffen, da auch ihre Vermieter – ob des Risikos einer späteren Enteignung – nicht mehr in die Instandhaltung und Instandsetzung oder gar in die energetische Sanierung (Klimaschutz) sowie altersgerechte Umbauten investieren würden – mit der Folge, dass sich die Qualität der Wohnungen verschlechtern würde.  

Alle Berliner wären zudem als Steuerzahler oder Nutzer staatlicher Leistungen von den finanziellen Belastungen aus der Vergesellschaftung – insbesondere den notwendigen Entschädigungen und der dauerhaften Subventionierung der so übernommenen Bestände – wenn diese, wie angekündigt, tatsächlich für lediglich EUR 4/qm vermietet werden sollen – betroffen. 

Nicht einmal die Mieter in den vergesellschafteten Beständen hätten dauerhaft Vorteile, da – wie nachfolgend dargelegt – eine Vermietung für die angekündigten Mieten von EUR 4/qm schon mittelfristig zu einer Verschlechterung des Wohnungsbestandes führen muss.

22. Welche rechtlichen Risiken sind mit dem von der Enteignungsinitiative vorgestellten Vergesellschaftungsgesetz verbunden?

Das vorgestellte Vergesellschaftungsgesetz ist wie der Mietendeckel „Neuland“ – eine derartige Vergesellschaftung hat es noch nie gegeben. Und sie hat eine Vielzahl von rechtlichen Risiken:  

Das beginnt bereits damit, dass die Berliner Verfassung keine Ermächtigung für eine Vergesellschaftung enthält –es vielmehr vor dem Hintergrund der DDR Erfahrungen gerade Wille bei der Neufassung der Berliner Verfassung in den 1990igern war, dass eine Vergesellschaftung nicht möglich sein sollte.  

Es geht weiter mit der Frage, ob das Grundgesetz eine solche Vergesellschaftung überhaupt zulässt und, wenn ja, ob die Bedingungen dafür gegeben sind. Dann wäre auch zu klären, ob die konkreten Regelungen – wie u.a. die Grenze von 3000 Wohnungen oder die Einbeziehung bzw. Nichteinbeziehung der Genossenschaften – verfassungsgemäß sind.  

Die Gerichte müssten zudem prüfen, nach welchen Grundsätzen die nach dem Grundgesetz in jedem Fall geforderte Entschädigung zu berechnen ist. Vor den Verwaltungsgerichten wäre dann auch in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob diese Entschädigung auch korrekt ermittelt ist.  

Die Senatsverwaltung selbst scheint vor diesem Hintergrund erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit einer solchen Vergesellschaftung zu haben. 

In jedem Fall würde die gerichtliche Klärung all dieser Fragen vor dem Berliner Verfassungsgericht, dem Bundesverfassungsgericht sowie den Verwaltungsgerichten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, dauern. Und es spricht einiges dafür, dass – ähnlich wie beim Mietendeckel –  dies als „Neuland“ mit einer Niederlage für die Befürworter der Vergesellschaftung endet.

23. Welche Kosten sind mit der vorgeschlagenen Vergesellschaftung verbunden?

Das hängt davon ab, welche Entschädigungssummen vor Gericht festgelegt werden.  

Der Senat selbst geht von EUR 28 bis EUR 32 Milliarden aus. Allein zum Vergleich: Berlins Haushalt 2020, aus dem alle Leistungen der Stadt, die Schulen, die Infrastruktur etc. bezahlt werden, betrug EUR 31 Mrd.  

Andere Schätzungen belaufen sich auf bis zu 40 Milliarden € – wohlgemerkt für lediglich 10% der Wohnungen in der Stadt – und ohne dass eine zusätzliche bezahlbare Wohnung neu errichtet wurde. 

24. Was wird bis zur Klärung all dieser Fragen auf dem Wohnungsmarkt geschehen? Mit welchen Folgen für Wohnungssuchende und Bestandsmieter?

Der Wohnungsmarkt wird – gleich wie die Rechtsstreitigkeiten später ausgehen – bereits mit der Möglichkeit eines Vergesellschaftungsgesetz zum Stillstand kommen: Es wird noch weniger gebaut werden und bei den bestehenden Wohnungen werden die Investitionen und Renovierungen zurückgefahren werden, da alle abwarten werden, wie die Rechtsstreitigkeiten ausgehen.  

Die Lage wird sich daher für Wohnungssuchende massiv verschlechtern – aber auch Bestandsmieter werden leiden, da weniger für Instandhaltung und Instandsetzung ausgegeben werden wird. 

Auch wenn die Vergesellschaftung später von den Gerichten zurückgewiesen wird, dürften die Auswirkungen für Wohnungssuchende und Mieter während der – voraussichtlich langen -Dauer der zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten also erheblich sein. 

Es steht auch zu befürchten, dass diese Unsicherheiten nicht nur Mieter und Wohnungssuchende treffen werden, sondern die gesamte Wirtschaft der Stadt. 

25. Die Enteignungsinitiative sieht vor, dass die den bisherigen Eigentümern entzogenen Wohnungen für EUR 4/qm vermietet werden – ist das überhaupt möglich, wenn die Qualität der Wohnungen erhalten bleiben soll.

Eine Vermietung für EUR 4/qm ist nicht möglich. Mit EUR 4/qm lässt sich die Instandhaltung und die energetische Sanierung (Klimaschutz) sowie altersgerechte Umbauten etc. in keinem Fall finanzieren – zumal aus den EUR 4/qm ja auch die für die Entschädigung aufgenommenen Darlehen finanziert werden müssten.  

Die Qualität der Bestände würde sich daher in wenigen Jahren rapide verschlechtern – soweit sie nicht zulasten aller Berliner und anderer Staatsaufgaben massiv subventioniert würden. 

Auch umfassender Neubau wird den „neuen“ Haltern dieser Wohnungen dann nicht mehr möglich sein, mit der Folge, dass Wohnungssuchende immer weniger Chancen haben werden, eine neue Wohnung zu finden. 

26. Wer entscheidet, wer später Mieter der so enteigneten Wohnungen für EUR 4/qm werden darf?

Alle diese Wohnungen sind ja bereits vermietet. Die Mieter werden gegenüber der Mehrheit aller anderen Mieter und Bürger der Stadt zunächst kurzfristig durch eine nicht kostendeckende Miete privilegiert sein – mittelfristig werden sie dafür aber auch eine deutliche Verschlechterung des Bestandes erleben.  

Bis dahin werden diese Wohnungen aber vererbt, zu höheren Preisen untervermietet oder nur mit hohen Abständen, die vom Nachmieter zu bezahlen sind, weitergegeben. Wohnungssuchende werden praktisch keine Möglichkeit haben, an solche Wohnungen zu gelangen.